Das Drama um Galeria Kaufhof Karstadt und weitere Staatshilfen
Kann-nicht wohnt in der Will-Nicht Straße. So könnte man das Drama um weitere Staatshilfen bei Galeria und die Suche nach einem tragfähigen Geschäftsmodell für das Digitalzeitalter zusammenfassen. In diesem Beitrag werden einige Hintergründe zu diesem Thema aufgearbeitet.
Zum dritten Mal innerhalb von zwei Jahren beantragt Galeria Karstadt Kaufhof Staatshilfen. Begründet wird dies mit der hohen Inflation, dem Krieg in der Ukraine und der damit zusammenhängenden Kostenexplosion bei den Energiekosten. Grundsätzlich sind mit diesen Herausforderungen jedoch alle natürlichen und juristischen Personen konfrontiert. Dies führt unmittelbar zu der Frage, warum der Staat ausgerechnet im Fall von Galeria erneut einspringen sollte. Die bisherigen Finanzspritzen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds in Höhe von insgesamt EUR 670 hat man unter anderem damit "begründet", dass z. B. der Handelsverband Deutschland (HDE) die Bedeutung der Warenhäuser für die Stadtzentren betont. Man sollte der Vollständigkeit halber jedoch erwähnen, dass Galeria Chef Miguel Müllenbach in genau diesem Verband selbst einen Vorstandsposten bekleidet - so viel zum Thema Lobbyismus.
Grundsätzlich kann man die Vor- und Nachteile finanzieller Förderungen aus verschiedenen Perspektiven hinterfragen. So könnten z. B. volkswirtschaftliche, politische, betriebswirtschaftliche oder sogar nostalgische Gründe dafür sprechen, dem Unternehmen weitere Mittel zur Verfügung zu stellen. Da das Unternehmen a) privatwirtschaftlich geführt wird und man b) dem hinter Galeria stehenden Investor Rene Benko zweifelsohne eine Gewinnerzielungsabsicht unterstellen kann, sollte die betriebswirtschaftliche Sicht dringend im Vordergrund stehen - Max Weber und das erwerbswirtschaftliche Prinzip lassen grüßen. Dies führt uns zu der Frage, wie es eigentlich um die Gewinnerzielungschancen des Unternehmens in der Zukunft bestellt ist. Ggf. findet sich hier eine Spur, um weitere etwaige Finanzspritzen zu rechtfertigen. Um es kurz zu halten: Diese Spur führt uns leider auf einen düsteren Pfad.
Man benötigt im Jahr 2022 keine betriebswirtschaftliche Ausbildung um zu verstehen, dass die Kostenstrukturen eines klassischen Warenhauses in Zeiten aussterbender Fußgängerzonen nicht mehr tragfähig sind, wenn man sich (a) auf das reine durchreichen von Handelswaren beschränkt und (b) auch sonst keine USPs im Vergleich zu Amazon & Co. zu bieten hat. Erschwerend kommt (c) hinzu, dass die heute erfolgreichen Online Player mittlerweile alle alternative Erlösströme neben dem reinen Handelsgeschäft aufgebaut haben und immer weniger von reinen Handelsmargen abhängig sind. Der Preisdruck auf traditionelle Warenhäuser wird tendenziell eher zu- als abnehmen.
Alle hier genannten Punkte wiegen schwer. Als weitaus problematischer muss man jedoch den Umstand ansehen, dass es Galeria seit dem Start des kommerziellen Internets im Jahr 1990 bis heute nicht gelungen ist, ein tragfähiges Geschäftsmodell für das Digitalzeitalter zu entwickeln - obwohl schon weitaus früher klar war, dass das Geschäftsmodell Warenhaus zum Auslaufmodell avanciert. Bereits im Jahr 1985 (!) hat der deutsche Marketing-Pabst Heribert Meffert auf diesen Umstand hingewiesen und herausgearbeitet, dass es in der Zukunft vor allem auf die (a) Zeitersparnis und Convenience, (b) Personalisierung der Kundenkontakte sowie die (c) Erlebnisorientierung beim Einkauf ankommt. Bei diesen drei Punkten handelt es sich fast 40 Jahre später um genau die Attribute, anhand derer man heute erfolgreiche Handelsmodelle beschreibt. Unglücklicherweise trägt Galeria hinsichtlich dieser Punkte jedoch des Kaisers neue Kleider und genau aus diesen Gründen sind die Umsätze des Unternehmens im Dauersinkflug.
Würde man den Steuerzahlern in Anbetracht der betriebswirtschaftlichen Lage nicht einen größeren Gefallen tun, indem man einfach die Realität akzeptiert, dass das Geschäftsmodell Warenhaus seinen Zenit überschritten hat und das Unternehmen aus dem Markt scheidet? Der bekannte Ökonom Joseph Schumpeter prägte vor rund 100 Jahren den Begriff der schöpferischen Zerstörung, wonach alte Strukturen durch neue verdrängt und ersetzt werden. Genau dieser Prozess ist nach Schumpeter für den gesellschaftlichen Fortschritt essenziell. Warum sollte der Staat also im Fall von Galeria eingreifen? Er sollte sich vielmehr darauf konzentrieren, Rahmenbedingungen zu schaffen, innerhalb derer digitale Geschäftsmodelle und neue Berufsbilder reifen können, um in die Zukunft seiner Unternehmen und Bürger zu investieren. Den Rest erledigt der Markt wesentlich effizienter und effektiver.